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Berlin, im Juni 2001: Lovepangs - der
Kongress der Liebeskranken. Die Wiener Konzeptkünstlerinnen
Brucic und Müller veranstalten in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz
ein multimediales Spektakel zum Thema "Liebeskrankheit in
unserer Gesellschaft" - das Publikum ist eingeladen, die
jeweils eigenen Liebesschmerz-Erfahrungen einzubringen und
auszuagieren. An die hundert "Schmerzberater" (eine beeindruckend
wilde Mischung von Repräsentanten aus Kunst, Politik und
Gesellschaft- zum Beispiel Antje Vollmer, die Vizepräsidentin
des Deutschen Bundestages, die Showgröße Zazie de Paris,
Elmar Weingarten, Ex-Intendant der Berliner Philharmoniker,
der Alt-68er-Kulturwissenschaftler Bazon Brock, Rainer Langhans,
ehemals Kommune I, Dr. Motte, Organisator der Love-Parade.......)
bieten "Therapiegespräche" in vier verschiedenen Rubriken
an: analog zu vier vorgestellten Phasen der Verarbeitung
von Liebesschmerz kann sich der leidende Besucher einwählen
in die Kategorien PAIN (Schmerz), RAGE (Wut), RESENT (Ablehnung,
Distanzgewinnung) und OVER (Reflexion vom Ende her) und
sein Problem im Einzelgespräch oder öffentlich erörtern.
Weiterhin fungieren Christoph Schlingensief und Alexander
Kluge als Zeremonienmeister und Regisseure und animieren
die liebeskranken Schäflein, ihren Schmerz und ihre Rachegelüste
in grotesk oder schaurig improvisierten Opernszenen loszuwerden.
Da fließt viel Theaterblut, es wird ausgiebig gesungen,
geschrieen und gekleckert. Untermalt wird dieses "Theater
des Schmerzes" von den großen Liebesarien der Opernliteratur:
Mozart, Verdi, Puccini..... Auch der Kommerz kommt nicht
zu kurz: man kann Lovepangs-Suppen und Lovepangs-Bier erwerben,
damit dieses Opernerlebnis der anderen Art auch geschmacklich
unverwechselbar in Erinnerung bleibt.
Alles passiert gleichzeitig, niemand überblickt
das Ganze, das Prinzip zur Überwindung der traditionellen
Opernästhetik heißt: Chaos. Alexander Kluge beschreibt das
Projekt als "Imaginären Opernführer", in dem endlich jeder
einzelne Besucher in seiner individuellen Oper die Hauptrolle
spielt und nicht mehr zum andächtigen Zuschauen und Zuhören
verdammt ist. Die traditionelle Opernmusik wird, als "Kraftwerk
der Gefühle", benützt, um jedermanns Liebesschmerz-Geschichte
in den Rang von "Kunst" zu erheben. Und Bazon Brock freut
sich ergänzend, daß eine Denkkategorie aus den 60erJahren
endlich wieder zu Ehren kommt: Kunst als "soziale Strategie".
Was wird hier gespielt? Ist es die radikale
Demokratisierung des Prinzips Oper? Oder das Verebben des
Genres in einer voyeuristischen Spaßgesellschaft ("Alles
ist Oper!")? Oder nur eine ästhetische Sackgasse?
Ich möchte hier versuchen
(als Reflexion einiger persönlicher Wahrnehmungen aus deutschen
Musiktheater-Aufführungen der letzten 15 Jahre), drei Begriffe
zu umkreisen, die für die Kunst im 20sten Jahrhundert generell
von großer Bedeutung waren, im Bereich der Opernproduktion
aber zu besonders heftigen und nachhaltigen Diskussionen
geführt haben. Es sind die Begriffe DEMOKRATIE, FRAGMENT
und ZUFALL. Wie haben diese "Paßwörter" der Moderne in die
Ästhetik des Musiktheaters hineingewirkt? Wo haben sie neue
Erzählweisen generiert, wie haben sie das traditionelle
Wertesystem der Oper infragegestellt?
"Demokratisierung" bedeutet immer "Abbau von
Hierarchien", auch in der Kunst: Arnold Schönberg sah in
der Formulierung seines Systems der "Komposition mit 12
nur aufeinander bezogenen Tönen" einen dezidiert demokratischen
Impuls am Werk - jeder chromatische Wert sollte, von seinen
Funktionen im hierarchischen tonalen System befreit, zu
jedem anderen chromatischen Wert in freie intervallische
Bezüge treten können. Allerdings hat Schönberg in seiner
Musiktheater-Arbeit (bei der Oper "Moses und Aaron") sein
eigenes System insofern relativiert, als er die Regeln der
Zwölftontechnik so geschickt einsetzte, daß am Ende doch
eine Musik entstand, die mit dem spätromantischen Operngeschmack
kompatibel war. Auf Schönberg und Webern aufbauend, wurde
nach dem zweiten Weltkrieg in der seriellen Musik das Diktum
formuliert, daß nun sogar die Bausteine des einzelnen Tones
(in der Musiktheorie ungeschickterweise "Parameter" genannt),
nämlich Tonhöhe, Tondauer, Klangfarbe, Artikulation und
Tonort frei und nach je eigenen Regeln gestaltet werden
konnten . Wie man sich vorstellen kann, führte diese Entwicklung
gerade in einem bisher so "melodievernarrten" Genre wie
dem Musiktheater zu allerlei Verwerfungen und Spannungen.
Schon in Alban Bergs "Lulu" löst sich der Widerspruch zwischen
der traditionellen Dialogführung und der avancierten Melodiekomposition
nicht richtig auf, und die meisten nach dem zweiten Weltkrieg
komponierten Opern verlassen bei der Singstimmenbehandlung
die strenge Theorie und machen Konzessionen an die "Theaterpraxis".
Die Oper scheint den historischen Differenzierungsprozessen
im musikalischen Material am meisten Widerstand entgegenzusetzen,
sie beharrt auf den tradierten Erzählformen, die singende
Theaterfigur sträubt sich offenbar gegen die Zerlegung der
sie konstituierenden Elemente.
Mannheim, Ende der 80erJahre, in einer
Aufführung der "Hamletmaschine" von Wolfgang Rihm (nach
einem Theaterstück von Heiner Müller):
Das Orchester quillt aus dem Graben, es ist zu groß für
das Mannheimer Theater, Schlagzeug und Blechbläser besetzen
Teile der Bühne und des Zuschauerraums - in der Bühnenmitte
steht die Sopranistin und singt sich die Seele aus dem Leib
(ich habe vergessen, was sie sang, aber ihre Haltung und
ihre Aura sind mir in eindrücklicher Erinnerung), ihr Innenleben
ist der Brennpunkt des gesamten riesigen Theaterapparates,
alle Scheinwerfer, Kulissen, Bühnenarbeiter und Maschinisten,
sämtliche klingenden Hölzer, Rohre , Felle und Bleche und
ihre dramatische Stimme dienen dem einzigen Zweck, die Intensität
und Einmaligkeit ihrer Gefühle ins Publikum zu schleudern.
Merkwürdiger Widerspruch: die Musik fährt alles auf, was
das 20ste Jahrhundert an Geräusch- und Klangeffekten hervorgebracht
hat, die Stimme meistert abenteuerliche atonale Sprünge
- jedoch die Fokussierung auf die Sängerin und ihre Aura
erfüllen alle Bedingungen des traditionellen Opernklischees.
Es paßt nicht zusammen.
Der demokratische Mensch
ist ein Jedermann, ein blasser Vertreter der Spezies mit
einem normalen Alltagsleben ohne große Höhen und Tiefen,
es fehlt ihm eigentlich alles, was eine gelungene Opernfigur
ausmacht: Hochmut, Mordlust, Intrigantentum, erotische Raserei.....Taugt
der "durchschnittliche Bürger" überhaupt als Vorlage für
ein Genre, das zum vorbildhaft Herausgehobenen, zum Exemplarischen
neigt?
Berlin, 1995, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz:
"Murx den Europäer! Murx ihn! Murx ihn! Murx ihn! Murx ihn
ab! - ein patriotischer Abend von Christoph Marthaler."
Der Zuschauer betritt das Theater und sieht auf der Bühne
- in einer Art heruntergekommenem Wartesaal - mehrere schlecht
angezogene Statisten sitzen, die offensichtlich auf irgend
etwas warten, und es passiert - nichts. Lange, lange Zeit
passiert wirklich rein gar nichts. Der Zuschauer wird ungeduldig
und denkt sich: jetzt könnten aber einmal die handelnden
Figuren auftreten, da beginnen die Statisten ganz leise,
leicht und wunderschön zu singen - und so kommt Marthalers
böse und zugleich zärtliche Abrechnung mit dem europäischen
(oder präziser: deutschen) Untertanencharakter ins Rollen.
Und ganz allmählich wird der Zuschauer gewahr, daß die "Statisten"
selbst die erwarteten Hauptfiguren sind, daß hier hochkarätige
Schauspieler Statisten spielen, daß eine Gruppe von Bühnen-Mitarbeitern,
die sonst immer unbeachtet am Rande (außerhalb des "Brennpunkts")
agiert, durch diesen Kunstgriff listig in den Mittelpunkt
gerückt wird. Und erstaunt beobachtet er, wie hier durch
den Verzicht auf die fokussierenden Verfahrensweisen des
üblichen Musiktheaters plötzlich die Figuren zu blühen beginnen,
wie er von diesen neurotischen Verlierer-Figuren zutiefst
fasziniert und berührt wird.
Analog zu den anderen
Künsten (z. B. bei Picasso die Auflösung der menschlichen
Gestalt in Fragmente oder in dem frühen Berlin-Film "Sinfonie
einer Großstadt" die Widerspiegelung des hektischen Lebensgefühls
der jungen Metropole durch temporeiche Kameraführung und
schnelle Schnitte) gibt es auch in der Musik der ersten
Hälfte des 20sten Jahrhunderts eine Tendenz zu immer weitergehender
Fragmentierung des Materials und der musikalischen Formen.
Die pointillistischen und extrem kurzen Werke Anton Weberns
bilden einen ersten Höhepunkt in dieser Entwicklung. Parallel
dazu schaffen die Emanzipation des Geräuschs als gültige
musikalische Kategorie (vor allem bei Edgar Varèse) und
die Vorstellung, daß mehrere klangliche Schichten oder auch
Handlungsstränge gleichzeitig ablaufen können, neue Denkmöglichkeiten
auch für das Musiktheater. Ein schönes frühes Beispiel ist
die Wirtshausmusik in Alban Bergs "Wozzeck", wo alle möglichen
Musiken im Kopf der trunkenen Hauptfigur "durcheinanderpurzeln".
Eine ganz wichtige Figur für diesen Strang ist der 1970
aus dem Leben geschiedene Komponist Bernd Alois Zimmermann.
In seiner Oper "Die Soldaten" nach dem Theaterstück von
Jakob Michael Lenz collagiert er alte und neue Musikfetzen,
ernste und populäre Genres und schmilzt daraus mit Hilfe
eines überdimensionalen Orchesterapparates grandiose, schillernde
Klanglandschaften. Die zugehörige Denkfigur nennt er die
"Kugelgestalt der Zeit" - es gibt in der Musikgeschichte
kein "früher" und "später" mehr, alle Musik aller Zeiten
ist prinzipiell gleichzeitig präsent (wie auf der Oberfläche
einer Kugel, wo die Distanz zur Mitte überall gleich ist),
und der Komponist hat die Aufgabe, nach seinen eigenen Regeln
Fragmente von dieser Oberfläche in den Brennpunkt (den Ort
der schöpferischen Arbeit) zu zitieren. Allerdings ist auch
hier anzumerken, daß die konventionelle Dramaturgie (es
handelt sich trotz allem um eine "Literaturoper") seltsam
quer zu der bahnbrechenden Musik steht.
Ausgehend von diesen Impulsen gibt es dann
gegen Ende des Jahrhunderts mannigfaltige Versuche, die
Idee der Gleichzeitigkeit verschiedener Schichten auch auf
dramaturgischer Ebene umzusetzen: mehrere parallele Erzählebenen,
Aufsplitterung der Figuren (z.B. ein Sänger, ein Tänzer
und ein Schauspieler stellen gleichzeitig dieselbe Figur
dar), Verzicht auf eine durchgehende "Geschichte"......Allerdings
hat sich keiner dieser Kunstgriffe so richtig etabliert,
auch hier scheint das Musiktheater renitent zu sein - es
bleiben viele Fragen offen. Luigi Nono hat aus diesem Dilemma
seine ganz eigene Konsequenz gezogen: in seinem großen Spätwerk
"Prometeo" verzichtet er ganz auf die optische Ebene, er
nennt das Stück eine "Tragödie des Hörens" (tragedia d¢ascolto),
es ist vom Theater her gedacht, aber die dramatischen Vorgänge
finden ausschließlich im Ohr statt.
Frankfurt am Main, Ende der 80erJahre:
John Cage hat für Frankfurt eine Oper geschrieben(!) - "Europeras
1 + 2"; er hat Mittelstimmen aus urheberrechtlich nicht
mehr geschützten Werken der Operngeschichte ("unbeachtetes
Material") mit Hilfe eines zufallsgenerierten Computerprogramms
durcheinandergeschüttelt, auch Lichteinstellungen, Kulissenbewegungen,
Kostüme und Arien-Versatzstücke werden solchen Zufallsoperationen
unterzogen, so daß es in den "Europeras" durchaus vorkommen
kann, daß ein Tenor im Gärtner-Kostüm mit Wikingerhelm eine
Sopranarie singt, während das Licht ganz woanders ist und
sich ihm grade eine Kulisse vor die Nase schiebt. Diese
radikale "Demokratisierung" der theatralischen Mittel, das
freie Spiel der Elemente auf einer Theaterbühne hinterläßt
einen verstörenden Eindruck, zu sehr ist man daran gewöhnt,
daß sich alles sorgsam abgestimmt einem Gesamteindruck unterordnet.
Die über Jahrhunderte gewachsenen Theatergesetze sind mit
einem frechen Handstreich aus den Angeln gehoben, das Chaos
und die Beliebigkeit haben die Herrschaft übernommen. Aber
das Theater schlägt zurück: Die Sängerinnen und Sänger machen
sich einen Jux daraus, sie retten sich in Parodien und Insider-Witze,
und auf der untersten Ebene, der des Klamauks, gewinnt das
alte Schlachtroß Theater mühelos gegen den experimentellen
Ansatz.
Ein anderer wichtiger
Demokratisierungsimpuls kommt aus der Zeit der linken Studentenbewegungen
in den 60er- und 70er-Jahren, am radikalsten formuliert
von Joseph Beuys, der die gemeinsame Arbeit an der "sozialen
Skulptur" zum ultimativen Ziel aller Kunstanstrengung erklärt;
nicht mehr Farben, Materialien oder Klänge sollten die Mittel
künstlerischer Gestaltung sein, sondern die Beziehungen
der Menschen untereinander seien gemeinsam neu zu formen,
um den Weg in eine bessere Gesellschaft zu ebnen. Sein "erweiterter
Kunstbegriff" gipfelt in der Parole: "Jeder Mensch ist ein
Künstler!". Auch "Schmerzberater" Bazon Brock's Stichwort
von der Kunst als sozialer Strategie (siehe oben) kommt
aus dieser Tradition, und vermutlich hätte Joseph Beuys
der "Kongress der Liebeskranken" gut gefallen.
Frankfurt am Main, im Juni 2001: fünf
jüngere Komponisten aus vier europäischen Ländern (Mark
André, Régis Campo, Emanuele Casale, David Coleman und Jörg
Widmann) haben Einakter für die Frankfurter Oper geschrieben.
Sie werden an einem Abend unter dem Gesamttitel "five movements"
mit dem Ensemble Modern als Klangapparat aufgeführt. So
unterschiedlich die kompositorischen und dramaturgischen
Herangehensweisen der fünf Komponisten auch sind, eines
haben sie gemeinsam: alle beschreiben Menschen in auswegslosen
Situationen. Tiefste Einsamkeit durch den Verlust des Gegenübers
(Widmann), sinnlos repetierter Nonsense (Campo), tödlicher
Zynismus (Coleman), finale Einbunkerung (Casale) und das
orientierungslose Spiel als Abgrund (André) sind die Sujets,
derer sie sich angenommen haben. Ist das ein Zeichen für
den bodenlosen Pessimismus einer neuen Generation, oder
bildet sich in diesen End-Spielen (Beckett läßt grüßen!)
auch die Krise des Genres Oper als gültiges und vitales
Reflexionsmedium der gesellschaftlichen Vorgänge ab?
"Stop telling stories!"
- dieser flapsige ästhetische Zwischenruf des amerikanischen
Komponisten Norton Feldman bringt eine wichtige Neuerung
in der Kunst des 20sten Jahrhunderts sehr schön auf den
Punkt: dem "Geschichtenerzählen" der alten Art (von charismatischen
Figuren wie Königen, Feen, Mördern und unglücklich Verliebten....)
und den zugehörigen Bedeutungs-Fixierungen im künstlerischen
Material wird der Versuch entgegengesetzt, die Mittel von
eingefahrenen Wahrnehmungsmustern zu befreien, sie neuen
Regeln zu unterwerfen und so im Material selbst eine Entsprechung
zur Entwicklung der modernen Massengesellschaft zu formulieren.
Was aber heißt das für die Oper? Was will die Oper sagen,
wenn sie keine Geschichte erzählt? In der Tat scheint es
so, daß die Oper diesen Tendenzen eine besondere Schwerkraft
entgegensetzt, daß sie am meisten von allen Künsten an den
alten Erzählweisen hängt, daß der singende Mensch auf der
Bühne eine persönliche Identifikation des Zuschauers einfordert,
die nur eintreten kann, wenn er sich öffnet, wenn er "etwas
erzählt". Viele Komponisten umgehen dieses Problem, indem
sie weiterhin ihre Erzählstrukturen von literarischen Vorlagen
übernehmen, die "Literaturoper" gibt es nach wie vor, allerdings
glaube ich nicht, daß sie einen wesentlichen Impuls für
ein zukünftiges Musiktheater wird geben können. Man kommt
nicht drumherum: Es bleiben ungelöste grundsätzliche Fragen,
und in den letzten Jahrzehnten ist wenig ästhetisch wirklich
Überzeugendes entstanden. Die krisenhafte Such- und Experimentierphase,
die spätestens mit Bergs "Lulu" begonnen hat, dauert an.
Es ist schwer zu beurteilen, ob und wie das Musiktheater
eine Zukunft hat - Dr. Hans-Joachim Schaefer, der in über
40 Jahren als Chefdramaturg am Staatstheater Kassel zahlreiche
Opernerstaufführungen ermöglicht und begleitet hat, ist
ein unverbesserlicher Optimist: die Oper müsse sich wandeln,
möglicherweise müßte sie wieder "ärmer" werden, um die Phantasie
wieder in ihr Recht zu setzen, neue Möglichkeiten der Vermittlung
für ein heutiges Publikum müssten gefunden werden, vielleicht
würden die großen Opernhaus-Apparate unter dem zunehmenden
finanziellen Druck zusammenbrechen....... aber das Genre
an sich habe die Kraft, auch weiterhin die Herzen und Hirne
der Menschen zu bewegen. Patrice Chereau (immerhin der Regisseur
des Bayreuther "Jahrhundert-Rings") hat kürzlich in einem
Interview erklärt, die Oper sei für ihn gestorben, er könne
sich nicht vorstellen, daß in diesem Genre zeitgenössische
Wirklichkeit noch sinnvoll abgebildet werden könne, er mache
jetzt lieber Filme. Die Einladung von Pierre Boulez, mit
ihm 2004 in Bayreuth den "Parsifal" zu machen, habe er -
nicht ohne noch einmal in Versuchung gekommen zu sein, wie
er bekennt - abgelehnt. Ironie der Geschichte: Vor 40 Jahren
war es Boulez, der gefordert hatte, alle Opernhäuser in
die Luft zu sprengen........
Reinhard Karger
Kassel 2001
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