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Franz Schubert
mit dem Sänger
Johann Michael Vogl,
Zeichnung von
Moritz von Schwind
1868
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Sparbier Band
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1992-1997 |
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Die Sparbier Band:
Reinhard Karger - Stimme + Keyboard,
Jürgen Wehner - Gitarre,
Tilman Scheer - Marimba, Olaf Pyras - Schlagwerk
Der Sparbier Band ist alles Material, was klingt, und nichts
läßt sie so, wie es ist.
Eine Band - vier Musiker. Ihnen allen ist gemein eine klassische
Ausbildung an ihren Instrumenten bzw./und in Komposition und
gleichzeitig die Liebe zur Popmusik, die sich in jahrelanger
Banderfahrung widerspiegelt. Wie gesagt: eine Gleichzeitigkeit,
keine Hierarchie. Von dieser Gleichzeitigkeit der nennen
wir es ein erstes und letztes Mal E- und U-Musik, zur
Verwobenheit, zum vitalen und fruchtbaren Dialog bedurfte
es eines kleinen und doch bedeutsamen Schrittes, den die Gründung
der Sparbier Band im documenta-Jahr 1992 markiert. "Zwischen
den Stilen" hieß denn auch, programmatisch bündelnd,
ihr erstes Konzert.
Wenig später sind das Musiktheater "Schlemihl oder
Der Mann ohne Schatten" nach Adelbert von Chamissos Novelle
entstanden (mit der Schauspielerin Sabine Wackernagel), ein
Konzert mit dem eritreischen Dichter und Musiker Abrar Osman
und schließlich ein "Winterreise-Projekt"
mit Osman und der Sängerin Asmera Berhane. Zwischen dem
romantischen Gesang, der, um mit Roland Barthes zu sprechen,
"immer wieder die Erschütterung des verlorenen,
verlassenen Subjekts singt", und Osmans Liedern vom Verlust
der Heimat bildeten hier die bemerkenswerten Arrangements
der Sparbier Band die Brücke über Zeiten und Kontinente.
Verena Joos
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Ein
Projekt der Sparbier Band |
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Winterreise |
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für Sänger und Combo |
1994
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Um die Grundstimmung der "Winterreise"
neu und "unerhört" zu hören, bedarf sie
einer "Transposition". Die Sparbier Band instrumentiert
sie für Marimba, E-Gitarre, Schlagwerk, Keyboards' in
den Farben der Pop-Musik also. Der Status reiner Begleitung
wird überwunden, die Hierarchie von Stimme und Instrument
außer Kraft gesetzt. Bisweilen schwebt die Liedmelodie
nackt über Geräuschimprovisationen, zwischen einzelne
Blöcke von Liedern drängen immer wieder Instrumentalimprovisationen,
die sich von Bildern und Situationen modernen Lebensgefühls
herleiten: Klanglandschaften, in die sich der romantische
Gestus zitatenhaft eindrängt.
Die Lieder folgen nicht der im Zyklus festgeschriebenen Reihung;
die Schubertsche Kreisbewegung wird von einer neuen Dramaturgie
abgelöst. Was schon im Entstehungsprozeß der "Winterreise"
vor bald 170 Jahren eher zufällig war - der Dichter Wilhelm
Müller lieferte seine Texte in zwei "Portionen",
die entscheidende Vorgabe für Schuberts Chronologie -,
hat sich durch das zelebratorische Insistieren zur Unabänderlichkeit
sklerotisiert. Man weiß immer, "was als nächstes
kommt" - und enthebt sich dadurch des Momentes der Überraschung,
der Überrumpelung. Eine neue Nachbarschaft mag geeignet
sein, den Liedern die Dignität des "Schauerlichen",
von dem Schubert anläßlich ihrer ersten Präsentation
im Freundeskreis gesprochen hat, wiederzuschenken.
Neumontage des Zyklus, Eingriffe in die Struktur, die Suche
nach "unsängerischen" Darstellungsformen, Pop-Arrangement
und lmprovisationselemente - was bleibt da von Schuberts Opus
noch übrig? Um es mit einem großen Wort zu sagen:
der Geist seiner musikalischen Bilder. Durch Entfremdung gelangt
die Sparbier Band jenem Gefühl von Fremdheit wieder näher,
das der Zyklus zum Thema hat, das allerdings durch Akkomodation
an Publikumsgeschmack und Sängereitelkeit lange Zeit
einem Gefühl falscher Vertrautheit Platz machen mußte.
Verena Joos
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PRESSE
zur "Winterreise" |
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Westfälische Nachrichten , 29. November 1994 |
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(...)
Am letzten Tag der "Neuen Musik in Münster" betrieb man die
Demontage der Schubertschen "Winterreise" - oder genauer: der
altbekannten Aufführungstradition. Die aus Kassel angereiste
Sparbier Band verschlug es in den Kornspeicher im münsterschen
Hafen, mitten zwischen gekalkte Wände und Walzhafersäcke ,,50
kg netto", unter mehlbestäubte Holzbalken und in feucht-kaltes
Klima.: Alles Gift für ein Meisterkonzert-Publikum, das "seine"
"Winterreise" - am besten noch von einem Starsänger - zelebriert
wissen will. Meint jedenfalls die Sparbier Band und schickt
sich an, dem Liederzyklus das "Schauerliche" wieder zurückzugeben.
Nicht mittels eines Hammerflügels, nein: mit Keyboards, Marimbaphon,
E-Gitarre und Schlagwerk haucht das Quartett dem Kunstwerk neues
Leben ein. Konsequenterweise wird die traditionelle Klavierbegleitung
aufgelöst, zum Geräuschhaften, verschwindet mal fast ganz
und läßt den Sänger allein. Zwischen den Liedblöcken entstehen
improvisierte Bilder, die sich des Schubertschen Materials bedienen.
Das war eine "unerhörte" Version in abenteuerlicher Umgebung.
Gegen kalte Füße und tropfende Nasen half dankenswerterweise
der westfälische Doppelkorn an der Abendkasse (...)
Christoph W. Schulte im Walde
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Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5. Januar 1995 |
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(...) Man wollte der erworbenen Vertrautheit
entgegensteuern, die genau das Gegenteil von Inhalt und Stimmung
der Winterreise ist. So kann erst wieder die Verfremdung vom
Gewohnten befreien und den Blick entromantisierend für
eine Sicht des eigentlichen Kerns schärfen. Erst die
Bearbeitung bahnt den Weg zurück zum Original.
Die 1992 in Kassel gegründete "Sparbier Band"
hat das Schubert-Werk mit Keyboards, Schlagwerk, Marimbaphon
und E-Gitarre uminstrumentiert. Der Name des vierköpfigen
Ensembles, abgeleitet von Wim Thoelkes unvergessenem Glücksboten
Walter Sparbier, gleichzeitig Sinnbild der von Glamour befreiten
Alltagswelt, weist bereits in die künstlerische Richtung
der klassisch ausgebildeten Musiker: Kunst, vom Alltäglichen
genährt, doch ihrer alltäglichen Umgebung enthoben
und so zu einer neuen künstlerischen Eigenständigkeit
geführt. So präsentierte die Formation Schuberts
Lieder neu gruppiert - teils als Geräuschimprovisationen,
teils als die Originalmelodie aufnehmende Gesangspassagen
(mit dem Schauspieler und Sänger Joachim Berger) mit
einem Instrumentarium aus der Rockmusik. Auch wenn der romantische
Gestus zitiert wird, ist das Werk keineswegs romantisch. So
ist dieses mit dem Kulturförderpreis der Stadt Kassel
1994 ausgezeichnete Arrangement mehr als ein modernisierter
Schubert, denn das Wesentliche bleibt erhalten: Die Fremdheit
lugt aus jedem Takt. In Münster hat man den Verfremdungseffekte
noch verstärkt Aufführungsort war ein erstmals als
Konzertstätte genutzter Kornspeicher (...)
Sabine Kreter
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