Reinhard Karger
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  Komm, o Tod, du Schlafes Bruder
  für achtstimmigen gemischten Chor a capella  
1998/99
 Hörprobe - Real Audio
 

 
 
"Komm, o Tod, du Schlafes Bruder"

Komm, o Tod, du Schlafes Bruder,
Komm und führe mich nur fort.
Löse meines Schiffleins Ruder,
Bringe mich in sichern Port.
Diese Halbstrophe aus dem Lied "0 du schönes Weltgebäude" von Johann Franck (1618-1677) sowie die zugehörige Choralvertonung von Johann Sebastian Bach bilden den inhaltlichen und strukturellen Ausgangspunkt für meine Komposition.
   
Wie ein Pilzsucher bewege ich mich langsam und geduldig in den Klanglandschaften des 4stimmigen Bach-Satzes und des Textes und entdecke von Zeit zu Zeit kleine Strukturen, die dem nur auf das Ganze gerichteten Blick verborgen bleiben, ich "pflücke" sie und lasse mich von ihnen zu einer neuen musikalischen Formulierung des Themas ,,Tod" führen.
 
Folgende Bilder und Strukturen tragen dann zur endgültigen Formung bei:
 
- der unauflösliche Gegensatz von Erlösungssehnsucht und Todesschrecken;
 
- der Verbrennungsvorgang: eine klar definierte Einheit unserer Lebenswirklichkeit (ein Stück Holz, eine Kerze, ein Mensch) wird zerlegt, die beiden Endprodukte gehören ganz verschiedenen Welten an - ein körperlicher Rest, der Erde zugehörig und eine körperlose Substanz, je nach Standpunkt des Betrachters Rauch, Wesen oder Seele genannt, dem Reich der Luft und des Himmels assoziiert;
 
- die ,,Beinhausmusik": die diebische Freude der aus den Gräbern hervorgestiegenen Skelette auf mittelalterlichen Totentanzdarstellungen an der Hervorbringung unbotmäßiger Töne und Geräusche;

 
 

 
Detailansicht Noten
 
 
 
- der Tod als mathematisches Problem: Ein Gebiet der neueren Mathematik ist die fraktale Geometrie, wo unter anderem untersucht wird, wie sich Strukturen verhalten, wenn sie sehr oft nach immer der gleichen Regel abgebildet werden.
Das Faszinierende ist, daß man, auch wenn eine eindeutige Ausgangsstruktur und eine klar festgelegte Abbildungsregel vorliegt, nicht voraussagen kann, wie sich die Struktur verhalten wird. Manche Strukturen wuchern und vergrößern sich anscheinend unkontrollierbar, andere sterben einfach aus.
Ein wesentlicher Grundsatz der traditionellen Mathematik, die kausale Vorhersagbarkeit, wird also außer Kraft gesetzt, die einzige Möglichkeit, Gewißheit zu bekommen, ist, es auszuprobieren.
So schleichen sich durch die Hintertür der Zufall und die Ungewißheit sogar wieder in ein scheinbar so klares, gläsernes Gebäude wie das der Mathematik.
Neben diesem grundsätzlich interessanten Aspekt ist für meine Komposition vor allem das Phänomen der erwähnten ,,aussterbenden Strukturen" von Bedeutung.

Reinhard Karger

 
     
     
     
  PRESSE  
   
Hessische / Niedersächsische Allgemeine, Juni 1999
 
 


NEUE MUSIK IN DER KIRCHE
 
Der Blick zurück dominiert
 
(...) Reinhard Kargers Stück für achtstimmigen Chor "Komm, o Tod, du Schlafes Bruder", die andere große Uraufführung des Abends, wirkt aufs Ganze gesehen eher statisch. Allerdings fächert der Kasseler Komponist die Todesthematik eindrucksvoll in zwei gegensätzliche Klang- und Ausdrucksebenen auf, eine grotesk-geräuschhafte "Beinhaus"-Musik und eine durch komplexe Akkordik bezeichnete "Entgrenzungsmusik" Beide Sphären durchdringen sich, ohne sich aufzulösen. Auch hier war Hans Darmstadt mit dem sehr engagierten Vokalensemble der Uraufführungsdirigent (...)
Werner Fritsch

 


     
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