|
|
|
Johanna Joos, Chet Baker, Ernst Jandl, Archie
Shepp, Charles Lewinsky,
Olivier Messiaen,
Giovanni Boccaccio,
Janis Joplin, John Zorn
(von oben) |
|
|
|
|
|
|
|
|
SMS - short music stories
|
|
|
für Stimme, Altsaxophon und Baßklarinette
von Reinhard Karger und Wolfgang Stryi |
2001
|
|
|
Ein Höllenritt durch Sprache und Klang, ein Roulettespiel
mit Fundstücken aus Musik und Literatur - unter freundlicher
Mitwirkung heutiger Geister und historischer Paten (in der
Reihenfolge ihres Auftretens): Johanna Joos, Chet Baker, Ernst
Jandl, Marc Jongen, Archie Shepp, Charles Lewinsky, Olivier
Messiaen, Giovanni Boccaccio, Janis Joplin und John Zorn.
Es spielen Wolfgang Stryi (Altsaxophon und Baßklarinette)
und Reinhard Karger (Stimme). Stryi ist Mitglied einer der
international renommiertesten Gruppen für neue Musik,
dem Frankfurter "Ensemble Modern".
>
Ensemble Modern
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
PRESSE |
|
|
Frankfurter Rundschau 29. Juni 2002 |
|
|
Die Kunst des Übergangs
Reinhard Karger & Wolfgang Stryi mit
"short music stories" in der Ensemble Akademie [Frankfurt/M.]
Von Tim Gorbauch
Die Idee der short story als adäquate
Erzählform der modernen Kunst ist nicht unbedingt neu. Auch
Reinhard Karger und Wolfgang Stryi erheben in ihrem neuesten
Projekt die Episode zum formalen Prinzip und arbeiten sich
an Personen, Texten oder Stücken ab, die ihre Musikerlaufbahn
entscheidend geprägt haben. Ihre short music stories, kurz
sms, haben illustre und vielfältige Charaktere: Chet Baker
ist dabei und Archie Shepp, Janis Joplin und John Zorn, Oliver
Messiaen, Ernst Jandl und Marc Jongen. Karger und Stryi versprechen
einen ,,Höllenritt durch Sprache und Klang, ein Roulettespiel
mit Fundstücken aus Musik und Literatur".
Das war natürlich etwas vollmundig, ein Höllenritt verheißt
ein Spektakel, das Karger und Stryi gar nicht wollen. Und
ein Roulettespiel ist aus diesem Konzert unterm Dach der Deutschen
Ensemble Akademie in der Schwedlerstraße auch nicht geworden.
An die Stelle von Zufall und Glücksspiel setzen beide einen
enormen Konstruktionswillen, der auch gerade dann greifbar
wird, wenn sich ihre gemeinsame Musik der Improvisation nähert.
Der Wunsch nach Gestaltung und einer trotz aller spontanen
Erfindung durch-artikulierten Musik äußert sich vor allem
auch da, wo die Kurzgeschichte eigentlich schon zu Ende ist,
in den Verknüpfungen, den Bindegliedern und Grauzonen zwischen
den verarbeiteten Materialien. Die simple Variante wäre das
Aneinanderkleben der einzelnen short stories, Karger und Stryi
hingegen entscheiden sich für die Kunst des feinen Übergangs,
blenden Themenfragmente allmählich ein, lassen sie nach und
nach an Kontur gewinnen, bis sie Gestalt annehmen und eigene
Kurzgeschichte werden.
Karger gibt den short music stories seine Stimme, die er bis
ins Geräuschhafte treibt und zugleich genug Gespür für den
Humor und Hintersinn der Texte bereit hält. Stryi ist der
gewohnt exzellente Klarinettist, ein Musiker von enormer Virtuosität
und Unaufdringlichkeit zugleich, der den Ausschlägen, den
Ein- und Ausbrüchen der Texte in jedem Augenblick folgen kann,
ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Das macht die Musik
nicht nur besser, sondern zugleich auch enorm sympathisch.
|
|
|
|
|
|
Hessische / Niedersächsische Allgemeine, 5. November 2001 |
|
|
Allmählich wird Sprache zu Musik
Im Gießhaus führten Reinhard Karger (Stimme) und
Wolfgang Stryi (Bassklarinette und Altsaxofon) erstmals
ihr Sprachmusikprojekt "SMS", Short Music Stories,
auf.
Man kennt sich lange. Man kennt
die gegenseitigen Vorlieben in Sachen Musik und Literatur.
Manche Vorlieben des anderen teilt man, andere nimmt man interessiert
zur Kenntnis. Und wenn man sich unterhält, dann genügt
ein Stichwort, und der andere ist im Bilde. Auch Privates
fließt natürlich ein. Reinhard Karger und Wolfgang
Stryi führen so einen Dialog nicht nur als Gespräch,
sie haben ihn strukturiert, improvisiert, komponiert. Das
Ergebnis heißt SMS, Short Music Stories, und wurde jetzt
im Gießhaus uraufgeführt.
Der Titel verweist auf die minimalistische Handy-Kommunikation,
doch in dem sprachmusikalischen Dialog, den Reinhard Karger
(Stimme) und Wolfgang Stryi (Bassklarinette und Altsaxofon)
führen, bleibt bei aller Knappheit genügend Raum
für Spielerisches. Zehn Namen auf dem Programmzettel
verweisen auf heutige Geister und historische Paten, die in
dieser dialogischen Aktion eine Rolle spielen, und die Zuhörer
sind bestrebt, Spuren der Genannten zu entdecken: Johanna
Joos, Chet Baker, Ernst Jandl, Marc Jongen, Archie Shepp,
Charles Lewinsky, Olivier Messiaen, Giovanni Boccaccio, Janis
Joplin, John Zorn.
In einigen Fällen geht das ganz leicht, anderes ist versteckter,
flüchtiger. Aber auf die genaue Zuordnung kommt es weniger
an. Viel interessanter ist, wie der Kasseler Komponist und
der Bassklarinettist des Frankfurter Ensembles Modern mit
ihrem Material umgehen.
Karger beginnt mit einem eigenen Text. Zwei Situationen mit
seiner Tochter Johanna. Einmal spielt eine Polizeikapelle,
einmal Alfred Brendel eine Schubert-Klaviersonate. Der Text
handelt von den Wahrnehmungen der Tochter. Karger spielt mit
ihm, bricht die Wörter auf, behandelt die Silben wie
Musikmotive und unterwirft sie Veränderungsprozessen.
Allmählich wird Sprache zu Musik. Fast unmerklich gesellt
sich die Bassklarinette dazu. Einzelne Töne mit Flatterzunge,
überblasene Töne, bei denen der Grundton noch mitklingt.
Immer konkreter werden die Motive, immer höher die Lage,
und dann scheint das tiefe Holzblasinstrument sich für
Momente in die gequetschte Trompete Chet Bakers zu verwandeln.
Und so gehen die Episoden ineinander über. Neben den
teils skurrilen Sprachspielen dominieren jazzige Töne.
Manchmal entsteht eine Art Groove, vieles bleibt fragmentarisch.
Das Repertoire an lautlichen Äußerungen, über
das Karger mit Stimme und Atem und Stryi mit den beiden Instrumenten
verfügen, ist so umfassend, wie es nur zwei Spezialisten
für Neue Musik beherrschen.
Und während im Wechsel mal Stimme, mal Instrument das
Wort führt, kommt es gelegentlich zu Duett-Situationen,
ganz ruhigen Momenten der Übereinstimmung in Sexten.
Solche Ruhepunkte etwa auch, wenn das Altsaxofon Olivier Messiaen
zitiert gehörten zu den intensivsten Momenten dieser
musikalischen Kurzgeschichten, die so viel mehr waren als
alles, was man sonst mit SMS assoziiert. Langer und herzlicher
Beifall.
Werner Fritsch
|
|
|
|
|
|